Der Urlaub wird in der Romanreihe von Autor Pierre Martin jedoch schnell zum Einsatz, da ein erster Mordfall natürlich nicht lange auf sich warten lässt und Madame le Commissaire Bonnet ermitteln muss. Die örtliche Polizei ist natürlich begeistert, dass sich eine ominöse Sonderermittlerin mit Rückendeckung aus Paris in lokale Angelegenheiten einmischt.
So wird ein Konflikt mit den Kollegen aus Toulon zum wiederkehrenden Motiv, als Bonnet zum Mord an einer jungen Frau in einer Luxusvilla zu ermitteln beginnt. Eine Unbekannte wurde brutal niedergeschossen und der eigentliche Bewohner der Villa – ein zugezogener Engländer – bleibt vorerst verschwunden. Ebenso wiederkehrend wie der kollegiale Konflikt sind die inhaltlosen Telefonate, die die Ermittlerin mit ihrem obersten Vorgesetzten in Paris führt. Dieser wirkt wie eine Art väterlicher Freund, der eigentlich immer nur wissen will, wie das Wetter ist und mögliche Probleme auf organisatorischer Ebene löst. So sitzt Bonnet immer am längeren Hebel und genießt Schutz aus Paris.
Alles kein Problem für Frau Commissaire
Zwischen der Ermittlungsarbeit spielt Bonnet Boule, lernt die Einheimischen kenne, isst und trinkt gut und hat es immer neben dem eigentlichen Fall noch mit einer zweiten Herausforderung zu tun. Im Falle des ersten Bandes will die Ermittlerin noch das Rätsel um den frühen Tod ihrer Eltern in eben jenem Dorf Fragolin lösen. Pas un problem, das geschieht nebenher. Begleitet wird sie dabei von ihrem skurrilen Assistenten Apollinaire. Er glänzt nicht nur durch schräge Kleidung und hektisches Reden, sondern auch durch gute Einfälle und saubere Ermittlungsmethoden. Im weiteren Verlauf der Buchreihe bleibt Bonnet natürlich in Fragolin und muss – statt nur das savoir vivre auszukosten – weitere Fälle lösen.
Von den inzwischen neun Bänden der Romanreihe habe ich bisher die ersten beiden Ausgaben („Madame le Commissaire und der verschwundene Engländer“ und „…und die späte Rache“) gelesen. Jetzt steht erstmal eine Pause an. Das hat verschiedene Gründe. Grundsätzlich haben mich an der Buchreihe die Cover angesprochen. Ich hatte Lust auf eine Urlaubslektüre, die ein bisschen spannender ist und idealerweise in einer Urlaubsregion spielt, die ich (zumindest ein wenig) kenne. Check, Check, Check. Die ersten Kapitel können diese Kriterien erfüllen und auch der Kriminalfall ist auf den ersten Blick nicht unspannend.
Solide Ermittlungsarbeit und flache Charaktere
Darüber hinaus gefällt mir die Beschreibung der Ermittlungsarbeit, die ich als eher grundständig beschreiben würde. Bonnet und Apollinaire telefonieren viel, holen Auskünfte ein, recherchieren Daten und befragen Zeuginnen und Zeugen. Das wird in der Buchreihe unaufgeregt beschrieben und kommt ohne übertriebene Schilderungen zu Verhörmethoden oder Hightech-SchnickSchnack aus. Auch die Schlussfolgerungen sind meist nicht völlig aus der Luft gegriffen oder erfolgen gar ausschließlich aus dem Bauch heraus.
Die Charaktere der Buchreihe, die im Droemer Knaur Verlag erschienen ist, sind sympathisch, bleiben jedoch sehr flach. Die Handlung folgt ausschließlich der Hauptfigur Isabelle Bonnet und spiegelt ihre Gedankengänge in der dritten Person wieder. Als Leserin weiß ich somit nicht mehr als die Ermittlerin. Allerdings ist die Perspektive auch der Grund, dass ich nur wenig Informationen über die anderen Figuren erhalte. Madame le Commissaire betrachtet diese durchaus etwas abschätzig. Vielleicht blickt sie als Pariser Superagentin doch etwas von oben auf die Provinzler herab?
Fragwürdige Frauenfiguren
Das fällt mir insbesondere bei anderen Frauenfiguren auf. Das wichtigste Attribut der engsten Freundin ist beispielsweise, dass diese sehr gerne tratscht. Diese Eigenheit teilt Frau Kommissarin selbstverständlich nicht, die Gespräche sind jedoch wunderbar geeignet, um den Kopf frei zu bekommen – Von all den vielen anstrengend Gedanken, die sie als Hauptfigur so denken muss. Eine weitere Figur ist lesbisch (und an der Hauptfigur amourös interessiert), aber natürlich nur, weil sie in der Kindheit missbraucht wurde und eine schlimme Ehe mit einem Mann hinter sich hat. Diese Erläuterung zur sexuellen Orientierung würde ich persönlich in die Kategorie „Küchenpsychologie“ einordnen.
Bei der Beschreibung Bonnets hingegen muss immer wieder betont werden, wie knallhart Madame le Commissaire ist und welche – oftmals eher Männern zugesprochenen – Attribute sie besitzt und sich damit von anderen Frauen unterscheidet. Sie ist taff, ein wenig eigenbrötlerisch und interessiert sich wenig für “Frauenthemen”. Zeitgleich geht von ihr selbstverständlich dennoch eine sexuelle Anziehung auf Männer sowie Frauen aus. Bien sûr, immer ein bisschen anders, nicht nervig, hilfsbedürftig nur in allerhöchster Not und dennoch ganz weiblich. Darüber hinaus quälen sie noch Erinnerungen an das überstandene Attentat und auch körperliche Beschwerden werden thematisiert. Beides bereitet Bonnet jedoch – außer schlaflosen Nächten – im Alltag kaum Probleme.
Okay für den Urlaub
Neben dieser platten Darstellung ist leider auch die Entwicklung der Fälle dann doch recht offensichtlich. Das bedeutet nicht, dass ich als Leserin von Anfang an verstehe, wer die Täterin oder der Täter ist. Aber bei einzelnen Handlungssträngen ist von Beginn an klar, wie diese verlaufen werden. Auf ein „hoffentlich passiert dies und jenes nicht“ kann man sich fast sicher sein, dass genau dies und jenes natürlich eintritt. Die Handlung hat nur wenig Überraschendes und bietet keine Twists, auch wenn die Ausgangslage eher spektakulär erscheint. Auch wenn die Dinge verworren wirken, so fällt doch immer alles sicher an seinen Platz und Konflikte und moralische Herausforderungen lösen sich grundsätzlich schnell auf.
Das macht die Bücher, die meist zwischen 300 und 400 Seiten zählen, zu einer ganz netten, aber wenig herausfordernden Lektüre. Ich mache nach den ersten zwei Büchern erstmal Pause – vielleicht bietet sich im nächste Urlaub dann doch nochmal die Gelegenheit der Reihe noch eine Chance zu geben.
