Instagram ändert die Reihenfolge im Feed – und alle rasten aus. Der böse, böse Algorithmus lässt uns nicht mehr alle Bilder unserer Freunde sehen. Ganz schön blöd, oder ganz schön schlau? Das kann ich nicht beantworten, aber machen wir uns nichts vor – Algorithmen umgeben uns nicht erst seit Instagram, Facebook und Co. Aber was ist ein Algorithmus überhaupt? Und was kann der?
In Hannah Frys Sachbuch „Hello World“ beschreibt die Britin mit einfachen Beispielen und Anekdoten, wo ein Algorithmus anfängt und warum auch aktuell oftmals etwas schief geht. In dem 2018 erschienenen Buch teilt die Professorin ihre Ausführungen in sieben Kategorien ein: Macht, Daten, Justiz, Medizin, Autos, Kriminalität und Kunst. Zu allen Kategorien führt sie bekannte und weniger bekannte Beispiele auf und entwickelt daraus Fragestellungen. Darf ein Algorithmus z.B. entscheiden, ob ein Straftäter eine Bewährungsstrafe bekommt? Und ist eine Brustkrebsdiagnose, die ein Algorithmus gegeben hat, immer verlässlich?
Das Buch wirft Fragen auf
Das Buch ist kein klassisches Sachbuch, sondern eher eine Annäherung an das Thema anhand von Geschichten. Das alles geschieht auf einer recht simplen Ebene und eignet sich besonders für Einsteiger – wie mich-, die einfach mal einen Überblick bekommen möchten. Frys Buch beginnt mit der Entstehung von Algorithmen und wandert vom Schachcomputer Deep Blue bis hin zu selbstfahrenden Autos in der Zukunft. Die Geschichten zeigen aber auch vor allem, wo uns Algorithmen bereits seit Langem in unserem Alltag begleiten. Dabei dreht die Autorin die Szenarien oft nur ein kleines bisschen weiter und lässt so Fragen aufploppen. Wollen wir das? Ist das so in Ordnung? Gibt es überhaupt bessere Alternativen?

Auf diese Fragen antwortet die Mathematikerin nicht selbst, sondern versucht die Lesenden zu einer eigenen Bewertung anzuregen. Jedoch wird dabei eigentlich immer klar, dass Fry (die übrigens auch schon mal einen TED-Talk gehalten hat) eine sehr überzeugte Befürworterin von Algorithmen ist. Dabei vertraut sie diesen jedoch nicht blind, sondern plädiert für Algorithmen, die einer ständigen Überprüfung und Verbesserung durch Menschen unterliegen sollen. Der Mensch muss aus ihrer Sicht der wichtigste und letzte Einflussgeber bleiben.
Der deutsche Titel des Buches ist leider sehr reißerisch und irgendwie auch falsch. Denn das Buch beschreibt vor allem, wie Algorithmen bereits das Leben seit einigen Jahrzehnten prägen und ändern und gibt keinen definitiven Ausblick in die Zukunft, den sich so mancher beim Anblick des Titels vielleicht erhofft hatte. Der englische Titel gefällt mir da schon besser „How to be human in the age oft he machine“ – ist aber auch nur so halbwegs passend. Denn wie man „menschlich bleibt“ wird im Buch nicht konkret beantwortet. Stattdessen muss man sich diese Frage immer noch selbst beantworten.
Nicht Mindblowing, aber ein spannender Überblick
So, genug Inhalt, ein paar Worte zum Stil: Das Buch ist sehr leserlich geschrieben und Fry „hüpft“ von Geschichte zu Geschichte. Das macht Spaß beim Lesen und der Kopf wird – trotz komplexem Thema – nicht gegrillt. Trotzdem muss man sich bewusst sein, dass das Buch eher an der Oberfläche bleibt. Das ist für Einsteiger und alle Interessierten gar nicht schlimm und zeigt sehr gut, dass Algorithmen eigentlich schon längst Alltag sind und nicht immer hochkomplex. Für Techies oder andere Profis ist „Hello World“ aber wahrscheinlich zu einfach und profan.
Insgesamt fand ich das Buch sehr interessant und konnte es leicht und auch mal zwischendurch gut lesen. Trotz dieses “Häppchen”-Konsums hatte ich nicht das Gefühl nur einfache Geschichten zu lesen, sondern einen Überblick über eine wichtige Debatte zu bekommen. Am Ende ist der Lesende nicht unbedingt um die Antwort auf alle Fragen (42, oder?) reicher, dafür aber um viele Impulse und Anregungen. Und wem das nicht reicht – der sollte sich einfach Notizen machen, um beim nächsten Smalltalk mit den neu erworbenen Stories punkten zu können.

(Da ich auf dieser Seite einen TED-Talk verlinkt habe, muss ich wohl dazuschreiben, dass das eventuell Werbung ist. 😉 Auch wenn es ein inhaltlich zum redaktionell erarbeiteten Angebot passender Link ist.)