Gossip im 19. Jahrhundert – Stolz und Vorurteil

Der Klassiker ist gar nicht romantisch, wie uns unzählige Verfilmungen weiß machen wollen.

“Stolz und Vorurteil” von Jane Austen: Bestimmt langweilig, denkt ihr jetzt? Ihr habt ja schon längst die Verfilmung mit Keira Knightley gesehen? Tja, dann habt ihr aber nur die Hälfte mitbekommen. Das Buch war nicht nur zu seiner Zeit ein Bestseller und das zurecht.

Elisabeth ist die zweitälteste Tochter der Familie Bennet. Sie leben in einer eher ländlichen Gegend Englands zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Und die Bennets haben ein kleines Problem: es gibt in der Familie nur Töchter und somit keinen Erben des Grundbesitzes. Kein Grund zur Verzweiflung für die Mutter Mrs. Bennet. Die sieht die Lösung darin ihre Töchter möglichst schnell (und finanziell ergiebig) unter die Haube zu bringen.

Neu in der Nachbarschaft ist der gut aussehenden und finanziell gutbestückte Mr. Bingley. Er wirft eine Auge auf die die älteste Tochter Jane. Alles könnte so wunderbar sein, wäre da nicht sein bester Freund Mr. Darcy: stinkreich und verdammt arrogant, so die allgemeine Auffassung der Landbewohner. Besonders zwischen Lizzie und ihm herrscht Abneigung. Lieben und Leben in England auf dem Land im 19. Jahrhundert: dank Konventionen ist das komplizierter als jede Vorabendsoap.

Nicht radikal, aber dennoch widerspenstig

Die Figuren werden von Jane Austen sehr genau und sehr ironisch beschrieben. Hauptfigur Lizzie ist nicht so schön wie ihre ältere Schwester Jane, dafür aber wesentlich schlauer und, wie man an den Dialogen sieht, sehr wortgewandt. Manchmal wünsche ich mir ein lautstarkes “Bazinga” hinter ihren Antworten auf das Gestichel der Leute. Zwar bricht sie die Konventionen ihrer Zeit nicht wirklich radikal, aber immerhin gibt sie auch mal ein paar Wiederworte und nimmt nicht gleich jeden Heiratsantrag von irgendwelchen dahergelaufenen Cousins ersten Grades (iiiiihhh) an. Ihre Schwestern, die ja auch nur Nebenfiguren sind, sind alle ein wenig einfältiger (manche sogar sehr) und weniger freiheitsliebend als Lizzie. Daher ist sie auch der Liebling ihres Vaters und das Sorgenkind ihrer hochzeitsfixierten Mutter.

Grüne Taschenbuch-Ausgabe von Stolz und Vorurteil

Feministisch ist das ganze vielleicht nur am Rande, aber immerhin geht es hier um einen Haufen Frauen, die meistens im Alleingang den Laden schmeißen und am Ende auch alle so ziemlich das bekommen, was sie wollen. Gut, das sind halt hauptsächlich Ehemänner und Schwiegersöhne, aber wenigstens haben sie sich die selbst ausgesucht. Mehr Selbstbestimmung ging ja quasi nicht. Egal ob weiblich oder männlich, in diesem Buch bekommen alle ihr Fett weg. Generell zeichnet Jane Austen ein aufmerksames, überspitztes und dadurch kritisches Bild der damaligen Gesellschaft.

Austen: Mit Stil und Ironie Kritik üben

Ihr Stil macht das Buch auch heute noch lesenswert, zumindest wenn man auch mal einen zweiseitigen Dialog über die Vorzüge von Spazierengehen im Wohnzimmer erträgt. Die Ping-Pong artigen Gespräche der Figuren sind manchmal schneller und frecher (hippes Wort) als jeder Gilmore-Girls Dialog. Ein bisschen seltsam mag vielleicht die Erzählperspektive erscheinen. Die kommt nämlich von einem Erzähler aus dem “Off”, der das Geschehen auch durchaus mal ironisch kommentiert.

Alles in allem ein tolles Buch, das aber auch mal seine Längen hat. Die Schreibweise sind wir vielleicht aus heutiger Sicht nicht mehr so ganz gewöhnt, aber sie bietet durchaus ihre Vorteile, um den Überblick zu behalten. Das Buch ist voller Witz und nicht so hochromantisch wie die meisten seiner Verfilmungen.