Jetzt – 18 Jahre nach Staffel 1 der ARD-Serie – erschien im Mai 2020 „Berlin, Berlin – Der Film“ auf der Streamingplattform Netflix. Eigentlich sollte die filmische Fortsetzung der Serie einen großen Kinostart hinlegen, daraus wurde wegen Corona nichts.
Wie war das nochmal mit Sven?
„Berlin, Berlin – der Film“ (Regie: Franziska Meyer Price, auch bei der Serie bereits Regisseurin) setzt viele Jahre nach Staffel 4 an. Wir erinnern uns: Nach vier Staffeln Hin- und Her (Sven, oder Moshe, oder Alex, oder doch nicht, oder Felix, oder, oder…Und wie wird man nun eigentlich Comic-Zeichnerin?) verabschiedete sich Protagonistin Lolle (Felicitas Woll) mit Sven (Jan Sosniok) in ein neues Leben nach Australien. Nachbar und „best friend for life“ Hart war weiterhin glücklich mit Mitbewohnerin Sarah (Rhea Harder) und dem gemeinsamen Sohn Simon-Ben.
Wir begeben uns in die Zukunft (Gegenwart 2020). Chaosqueen und Nervenbündel Lolle will mit Hart (???) vor den Traualtar treten. Kurz vor dem Ja-Wort sprengt Ex-Lover und Cousin Sven die Versammlung und gesteht Lolle seine Liebe. Die ist überfordert, haut ab, verstößt gegen Verkehrsregeln und wird in einem total realistischen Eilverfahren noch am Tag der Nicht-Hochzeit zu Sozialstunden verdonnert. Am ersten Tag der Sozialstunden trifft sie auf Dana (Janina Uhse), ihren neuen Sidekick. Die ist unausstehlich, findet Lolle unausstehlich, klaut ihr das Tablet mit wichtigen Entwürfen und schüttet Lolle dann bei der Konfrontation im Nachtclub Drogen in den Drink.
Roadtrip mit wenig Inspiration
Total der funny move, Mensch. Wenn’s eine Frau bei einer anderen Frau macht, ist das ja auch gar nicht so schlimm, ne? Sorry, aber geht’s noch David und Ben Safier? Das ist wirklich die beknackteste Storyline, die sich die beiden Drehbuchautoren da ausgedacht haben. Aber ich drücke mal ein Auge zu, denn David Safier war schon Drehbuchautor der Originalserie.
Nun gut, weiter im Text. Lolle und Dana wachen am nächsten Morgen in einem fremden Auto mitten im Harz auf und machen sich widerwillig auf einen gemeinsamen Roadtrip zurück nach Berlin. Auf ihren Fersen: durchgeknallte Hippies, gefährliche Drogendealer, die Polizei und, aus der anderen Richtung kommend, Hart und Sven, die sich nicht einigen können, wen Lolle denn jetzt am besten heiraten sollte.
Die Story entspricht dem klassischen Roadmovie-Format, das wir schon aus „Vincent will Meer“, „Im Juli“, „Friendship“ und vielen weiteren deutschen Filmen kennen. Das wäre auch nicht so schlimm, wenn es nicht so uninspiriert wäre. Die beiden Protagonistinnen sind sich am Anfang nicht so grün, erleben gemeinsame Abenteuer, werden verfolgt und sind am Ende beste Freunde. Das ist als Fortsetzung von einer Serie wie „Berlin, Berlin“ wirklich nicht geeignet. Die Serie war witzig, durchgeknallt, progressiv und hat eben nicht nur schon mal Dagewesenes neu aufgelegt.
Fluch und Segen einer Reunion
Es finden sich natürlich einige lustige Anspielungen auf die Originalserie (die Handschellen-Problematik, das viele Rennen) und das ist einer der Gründe, warum ich die 80 Minuten dranbleibe. Spaß macht auch die Cast-Reunion, wenn immer wieder Charaktere (aus Staffel 1) relativ unvermittelt auftauchen und genauso spleenig wie früher sind. Harald (Kai Lentrodt) bleibt der wirre Irre und Rosalie (Sandra Bergmann) rettet mal wieder die Situation.
Was jedoch neben der etwas lahmen Handlung auch als Stunde-1-Fan keinen Spaß macht, sind die ungeklärten Hintergründe der Hauptfiguren. Hart und Sarah sind getrennt – Aber was ist mit ihrem gemeinsamen Kind? Und ist Lolle nicht mehr mit ihr befreundet? Wieso hat sich Rosalie nie wieder gemeldet – gibt’s in New York keine Telefone? Warum ist Hart plötzlich nicht mehr Programmierer, sondern hat mit Lolle ein Animationsstudio? Man wünscht sich fast, dass die Autoren einfach wie die Kollegen bei „Türkisch für Anfänger“ gehandelt und den Kinofilm in eine alternative Handlung umgeschrieben hätten.
Wo ist Comic-Lolle?
Stehen geblieben waren wir beim Animationsstudio. Ein wichtiger Punkt der Originalserie waren die Comicszenen, die Lolles Gefühlswelt und Gedanken dargestellt haben. Das wurde im Film angepasst und erscheint jetzt – passend zu Lolle als Animationsstudioleiterin und zur modernen Welt – als Animationssequenzen. Leider passiert das nur im Intro und später haben ein paar Figuren nochmal ein Comeback. Das ist ganz nett und dabei ist irgendwie auch verkraftbar, dass Lolle nicht wie Lolle aussieht. Dennoch fehlt mir die Comic-Lolle, die auch mal mit einem Hammer sich selbst oder wahlweise ihre Konkurrentinnen oder nervige Männer in den Boden hämmerte.
Dass die Figuren im Film eher flach gehalten sind, ist aus meiner Sicht kein Problem, da der Film eben auf einer Serie basiert und diese (wenn auch mäßig) fortführt. Die Background-Story von Neuzugang Dana wird ausreichend erklärt und spielt auch eine nicht unwichtige Rolle für den Handlungsverlauf. Spannend ist das alles nicht wirklich und der gewollte Tiefgang… naja. Auch der Witz der Serie ist eher ausbaufähig. Die Macher setzen auf viel Klamauk und können nur an mancher Stelle die Situationskomik von früher wieder einfangen.
Wie es dennoch Spaß macht
Geschaut habe ich den Film übrigens zusammen mit Freunden. Allerdings ganz brav in getrennten Haushalten, denn wir befinden uns ja alle in einer Extremsituation. Und da reagieren Menschen anders als sie normalerweise reagieren würden. Sie reagieren… ach, egal. Dank gemeinsamem Play-Drücken und live Austausch in einer Whatsapp-Gruppe, hat das dann doch viel Spaß gemacht und dem Nostalgiegefühl, von dem der Film lebt, ein bisschen geholfen. Dabei fiel aber noch ein Kritikpunkt ins Auge bzw. Gehör: Der Film hat die falsche Hintergrundmusik – nämlich nicht die, die in der Serie immer Lolles Gefühlswelt in Szene setzte. Für alle die auch schon auf der Suche waren, ich hab da (nach 15-minütiger Google-Recherche) etwas für euch: Lolles Thema von Komponist Andreas Bick. Dankt mir später.
Jetzt aber genug Gemecker, ich hau mich auf die Couch und schaue mir Staffel 1 bis 4 mal wieder an. Denn da finde ich zwar auch nicht mehr jeden Witz lustig, aber das ist zu verzeihen.

Der Trailer zum Film: https://youtu.be/k4jFek5U8VA